Ovarialzysten, multifaktoriell und immer aktuell


Von Bruno Robert, med. vet.

Ovarialzysten sind nach wie vor eine der häufigsten Störungen der Fortpflanzung bei Milchkühen und kommen auch in der Mutterkuhhaltung vor. Mit einer Inzidenz von 2,7 bis 30 %1,2 sind die wirtschaftlichen Folgen beträchtlich, insbesondere aufgrund der verminderten Produktivität und Fruchtbarkeit der Herde. Die meisten Zysten treten post partum auf, der Höhepunkt ist zwischen 30 und 40 Tagen nach dem Abkalben1,2. Die genaue Definition einer Ovarialzyste hat sich im Laufe der Zeit und mit den Diagnosemethoden verändert. Heute kann sie als eine anovulatorische Ovarialstruktur mit einem Hohlraum von mindestens 20 mm Durchmesser definiert werden, ohne vorhandenen Gelbkörper. Hat diese Zyste eine Wand mit einer Dicke von weniger als 3mm, ist sie follikulär, und falls sie von einer Wand mit einer Dicke von mehr als 3mm umgeben ist, ist sie luteinisiert2.

Die Ätiologie und Pathogenese von Zysten sind komplex, multifaktoriell bedingt und bleiben Gegenstand von laufenden Untersuchungen. Eine Störung der Hypothalamus-Hypophysen-Gonaden-Achse mit einer aberranten LH-Sekretion kann eine der Ursache sein3.
Zelluläre und molekulare Veränderungen im wachsenden Follikel, hormonelle Dysregulationen sind an der Entstehung von Zysten beteiligt. Stress, eine negative Energiebilanz zu Beginn der Laktation, Umweltfaktoren wie Abkalbebedingungen (5,7-mal höheres Zystenrisiko bei Kühen, die im Stall statt auf der Weide abkalben), Genetik, Alter, Produktivität, Puerperalpathologien (Plazentaretention, Azetonämie usw.) -alle diese Faktoren können das Risiko von Zysten bei Milchkühen erhöhen2.

Die klinischen Anzeichen, die mit einer Zyste einhergehen, hängen von ihrem Luteinisierungsgrad ab. Die luteinisierte Zyste sezerniert Progesteron, das den Zyklus blockiert. Der Anöstrus ist die häufigste postpartale Erscheinung (62-85%). Später in der Laktation werden eher Nymphomanie oder unregelmässige Brunst beobachtet 2,3.

In der Praxis können Zysten durch Abtasten der Eierstöcke festgestellt werden. Die Ultraschalluntersuchung wird jedoch bevorzugt, um die Diagnose zu verfeinern und zu bestimmen, ob die Zysten luteinisiert sind oder nicht3.

Ovarialzysten sind dynamische Strukturen. Sie entwickeln sich weiter und können ohne Intervention verschwinden, um entweder einem Follikel oder einer neuen Zyste Platz zu machen. Spontane Heilungen sind daher möglich, geschehen jedoch vor allem bei Kühen mit geringer Produktivität oder in der ersten Laktation2.

Auch wenn sie auf "natürliche" Weise verschwinden können, ist es besser, eine Behandlung einzuleiten, sobald die Diagnose gestellt wurde. Das Ziel der Hormonbehandlung ist es, neues Follikelwachstum und den Sprung einer reifen Eizelle zu stimulieren, anstatt "die Zyste zum Platzen zu bringen "1,3. Es können GnRH-Analoga, Prostaglandine und Progesteron verwendet werden. Beispielsweise kann das Ovsynch-Protokoll eingeführt werden. Um die Leistung von Ovsynch bei anovulatorischen Kühen zu verbessern, ist eine Vorbehandlung mit GnRH möglich (6 bis 7 Tage vor der ersten GnRH-Injektion von Ovsynch)1. In diesem Fall sind zu Beginn des Ovsynch-Protokolls luteale Strukturen vorhanden und die entstehenden Follikel entwickeln sich unter höheren Progesteronkonzentrationen (bessere Follikelreifung, gute Eizellqualität).

GnRH-Agonisten, als alleinige Behandlung sind bei follikulären Zysten wirksam, Prostaglandine bei luteinisierten Zysten1. Ein weiterer Behandlungsansatz ist die Anwendung von intravaginalen Spangen auf Progesteronbasis für 9 bis 12 Tage. In diesem Fall kommt es zu einer Verringerung der LH-Sekretion, einer Rückbildung der Zyste und dem Auftreten einer neuen Follikelwelle bereits 5 Tage nach Einsetzen des Implantats. Innerhalb von 7 Tagen nach Entfernung des Implantats kommt es zur Brunst und zu einem Eisprung1,3.

Zusammenfassend lässt sich sagen, dass Ovarialzysten bei Kühen eine multifaktorielle Erkrankung sind, die sich erheblich auf die Fruchtbarkeit und Reproduktion von Milchkühen auswirken kann. Die angemessene Prävention und Behandlung dieser Pathologie ist entscheidend für die Aufrechterhaltung der Rentabilität der Zucht und der reproduktiven Gesundheit der Kühe.


Referenzen:

  1. Efficacy of ovulation synchronization with timed artificial insemination in treatment of follicular cysts in dairy cows.  Abdalla H, de Mestre AM, Salem SE. Theriogenology. 2020 Sep 15; 154:171-180.
  2. Ovarian cysts, an anovulatory condition in dairy cattle.  BorŞ SI, BorŞ A.J Vet Med Sci. 2020 Oct 30;82(10):1515-1522.
  3. Les kystes ovariens dans l'espèce bovine. Prof. Ch. Hanzen, support de cours années 2015-2016. Université de Liège Faculté de Médecine Vétérinaire Service de Thériogenologie des animaux de production, Portal für Tierarztpraktiker und Studenten  https://orbi.uliege.be/bitstream/2268/70574/1/R14_Kystes_ovariens_2016.pdf. Abgerufen am 16.03.23.

 


Crissier, den 1. April 2023